Eigentlich sollte es mit der großen Tour Mitte Juni losgehen. Doch dann hat sich Ende Mai irgendetwas in meinen vorderen Speichen verfangen und ich bin über den
Lenker gesegelt. Die Folge waren Verletzungen an der Nase und am Brustkorb, Einschnitte an einigen Fingergelenken und tiefe, sehr schmerzhafte Schürfwunden an den Handflächen und den Knien. Nun
bin ich also erst morgen früh am Start und hoffe, dass es während der letzten Tage in Italien noch warm genug ist.
Die erste Etappe führt mich von Kassel nach Jesberg.
Jetzt geht's also los. Es ist leider schon 9:30 Uhr. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, jeden Tag spätestens um 8:00 Uhr oder noch früher auf dem Sattel zu sitzen. Ich hoffe, ich bekomme den Trott bald besser in den Griff.
Kaum um die Ecke gebogen, also an der Eder, gesellt sich ein junger Mann zu mir und wir kommen ins Gespräch über Radtouren, die er und ich schon unternommen haben. Wenn das so bleibt, brauche ich mir über Einsamkeit keine Gedanken mehr machen.
Die heutige Etappe bin ich schon einige Male gefahren und ich habe sie als attraktive und hügelige Tour in Erinnerung. Doch heute habe ich mein Fahrrad schwer beladen - wie einen Packesel, nur dass ich nicht nebenher fahre. Ich komme also erheblich langsamer voran als die anderen Male und meine Freude an der schönen Landschaft hält sich in Grenzen.
Für heute habe ich mir eine Strecke zum 'Einfahren ' bis Jesberg geplant - rund 60 km. Als ich am frühen Nachmittag in dem trostlosen Ort ankomme und auch der Campingplatz doch recht langweilig auf mich wirkt, entschließe ich micht zur Weiterfahrt nach Marburg ! Meinen ersten Abend der Tour habe ich mir reizvoller vorgestellt.
Gegen 19.30 Uhr habe ich gleich am ersten Tag 120 km in den Knochen und baue ziemlich erschöpft mein Zelt auf. Dann fahre ich ohne Gepäck ein Stück zurück zu einer Kneipe an der Lahn, bestelle mir was zu essen und lausche 2 Straßenmusikern zu, die hier heute die Gäste unterhalten - das Essen und das Bier hat selten besser geschmeckt.
Link zum Etappenverlauf:
https://www.komoot.de/tour/6057713?ref=wtd
Über diese Etappe gibt es nicht viel Bewegendes zu berichten. Von Marburg bis Gießen führt der Radweg durch flache Wiesen und Äcker. Zwischen Gießen und Wetzlar wird es weider etwas abwechslungsreicher.
Nicht weit hinter Gießen leisten mir Bernd und Siggi Gesellschaft . Sie sind auf dem Weg zum Eisessen in Wetzlar. Während der Unterhaltung kommt es mir so vor als würde ich flotter radeln als sonst, jedenfalls fühlt es sich weniger beschwerlich an und die Zeit vergeht wie im Fluge.
Ab Wetzlar ist die Strecke nur leidlich zu ertragen. Der Radweg führt meist entlang einer Schnellstraße oder neben einer Eisenbahnstrecke. Die Lahn ist auch nur selten zu sehen. Dafür ist der Campingplatz ganz in Ordnung. Ich habe mir einen ruhigen Platz auf einer etwas abseits liegenden Wiese direkt an der Lahn ergattert.
Wenn ich mir nicht vorgenommen hätte, meine Tour vor der Haustür zu beginnen, wäre ich, abgesehen von den schönen Abenden, besser in Weilburg gestartet.
eBikes sparen Energie!
Dank meiner App auf dem iPhone für Fahrradnavigation läuft die Orientierung in Straßburg sehr gut. Ich habe einfach vorher in dem Programm alle Punkte in der Stadt angegeben, die ich anfahren wollte, dann den Kopfhörer eingestöpselt und mich von einer weiblichen Stimme im deutsch ausgesprochen Französisch (hörte sich an wie mein Mitbewohner) durch die Stadt leiten lassen – funktioniert mit wenigen Ausnahmen sehr gut.
Gleich am Morgen mache ich mich auf die Suche nach einem neuen Campingplatz und werde sogar noch näher an Langenargen, am Hafen, fündig und bekomme sogar noch einen freien Platz auf einer Zeltwiese zugeteilt und bleibe daher noch einen weiteren Tag am Bodensee.
Der Umzug ist schnell erledigt und anschließend fahre ich ins nahe gelegene Lindau. Am späteren Abend sitze ich mit meinem Stuhl am See und genieße den wunderschönen orangenen ‚Sandmännchenmond’ beim Untergang über der Schweiz auf der anderen Seite des Sees.
Heute Vormittag lasse ich es ruhig angehen. Ich frühstücke gemächlich in der Sitzecke, plane die nächsten Tage und genieße den Blick über Verona. Das Klima hier oben im Schatten ist gut erträglich. Zwischendurch unterhalte ich mich eine Weile mit einem ungefähr 45-jährigen Mann aus der Nähe von Stuttgart, der mit seiner 13-jährigen Tochter mit Rad und Gepäck auf dem Via Augusta unterwegs ist. Sie wollen noch weiter bis an die Adria. Er ist von Beruf Ingenieur, hat seinen Job allerdings bald nach der Geburt seiner Tochter aufgegeben und ist jetzt Hausmann.
Gegen 12:00 Uhr erhebe ich mich doch allmählich für eine Stadtbesichtigung.
Schon gestern ist es mir aufgefallen, aber heute wird es mir wirklich bewusst. Erst in Verona habe ich das Gefühl, in Italien zu sein. Am Gardasee wirkte alles noch irgendwie Deutsch/Östereichisch. Fast alle sprachen noch irgendwie Deutsch, die Häuser und Orte sahen auch nicht gerade 'italienisch' aus und auch die Landschaft hatte wenig mediterranes.
Doch in Verona bin ich endlich in Italien. Ich schlendere durch die Gassen der Altstadt, bleibe hier und da mal sitzen, umrunde die Arena (überlege, ob ich am Abend in die Oper gehen soll - ist aber ausverkauft - wäre aber mit meiner Kluft auch garnicht reingelassen worden), besuche Romeo und Julia und bestaune einige Kirchen und Paläste.
Gegen 18:30 Uhr bin ich wieder auf der Burg und koche. Ich fühle mich hier richtig wohl - eigentlich sollte ich noch einen weiteren Tag ranhängen. Doch Rom ist noch nicht in Sicht und daher treibt es mich weiter. Vielleicht gibt es auf der Rückfahrt noch eine Möglichkeit für einen Zwischenstop in Verona.
Am Ende bin ich auf einer Distanz von 10 km mit durchschnittlich 9% Steigung den Berg im kleinsten Gang hoch gekurbelt. Währenddessen denke ich immer wieder: "Wer hat nur Bleiklumpen in meinem Gepäck versteckt." Auf dem für heute höchsten Punkt stelle ich fest, dass dies die heftigste Strecke meines Radfahrerdaseins ist.
Sassuolo bis Piandelagotto
https://www.komoot.de/tour/t6670554?ref=itd
Ich kann nur vermuten, dass sie die Gelegenheit ausgenutzt hat. Gleich nach der Brücke ging es weiter über eine ungesicherte eingleisige Eisenbahnstrecke. Nachdem ich die Schienen glücklich passiert hatte, wurde mir der weitere Weg sogleich von einer abgeschlossenen Schranke versperrt. Vor der Überquerung hatte ich einen kleinen Moment ‚gezuckt’ und dachte an Umkehr. Doch das hätte in der Dunkelheit und abseits von belebten Straßen im freien Gelände gegebenenfalls nur einen weiteren abenteuerlichen Weg bedeutet. Gerade hatte ich also den Balken mühsam 'unterwadendert' und erfrischte mich mit einem kräftigen Schluck aus meiner ‚Pulle’, da donnerte ein Personenzug vorbei!
Am Morgen erfrische ich mich erst mal im Swimmingpool, frühstücke ausgiebig, nutze den Waschmaschinenservice und fahre erst in der Mittagszeit nach Lucca. Dort verbringe ich den Rest des Tages mit Stadtbummel und Lesen, setze mich in ein Cafe und suche später noch ein Restaurant in einer Seitengasse auf. Als ich am Abend zurück komme, zeltet dort tatsächlich noch ein junges Paar aus Deutschland mit einem Mercedes-Cabrio, Modellreihe Uwi/Sören. Beide sind sehr aufgeschlossen und wir unterhalten uns eine ganze Weile, bis mir schließlich einfällt, dass meine Wäsche noch draußen hängt und ich für den nächsten Tag alles fertig packen will, damit ich wegen der langen und mühsamen Strecke nach Volterra früh loskomme. Bevor ich im Schlafsack verschwinde drehe ich von den Platzlaternen in meiner Umgebung die Birnen raus. Da auch das Pärchen noch ein paar Birnen rausschraubt, ist es um uns herum schön dunkel.
Lucca nach Volterra
https://www.komoot.de/tour/t6710280?ref=itd
Anscheinend bin ich schon ein wenig ausgepowert und auch von den vielen Stadtbesichtigungen reizüberflutet. Dienstag und Mittwoch treibe ich mich fast komplett im Schatten auf dem Campingplatz herum und verbringe die Zeit mit Lesen, Schreiben, Fahrradpflege und Kochen. Die Stadt habe ich mir bisher kein weiteres Mal angesehen. Jedenfalls genieße ich die Zeit und das Schattendasein. Ich werde morgen bei der Weiterfahrt noch mal in Volterra vorbeischauen.
Das Klima wird milder und windig, ab dem späten Nachmittag fast ein wenig frisch.
Da ich ziemlich abgekämpft bin, bleibe ich nur kurz in dem Ort und fahre weiter zum Campingplatz am Ortsrand. Diesmal werde ich in der Rezeption von einem alten Ehepaar (Beide ungefähr 80 Jahre alt) begrüßt. Sie sind wieder sehr sehr freundlich, mit einem ewigen Lächeln auf dem Gesicht (obwohl in Castel del Piano die Etrusker lange ausgestorben sind). Wurde hier in der Gegend vielleicht Mona Lisa geboren?
Von Casciano di Murlo nach Castel del Piano
https://www.komoot.de/tour/t6755241?ref=itd
Castel del Piano - Lago di Bolsena
https://www.komoot.de/tour/t6772017?ref=itd
Es gibt wieder mal eine Zeltwiese, weit ab von der Schnellstraße und ich fühle mich, auch wenn der Platz keine Augenweide ist, gleich wohl. Neben mir zeltet ein gleichaltriger Holländer, der von Uetrecht bis hierher geradelt ist. Er erzählt mir, dass das heftige Gewitter in der letzten Nacht hier auch getobt hat. Vom Hang oberhalb der Wiese kamen die Wassermassen heruntergeschossen und in allen Zelten stand das Wasser mindestens 10 cm hoch. Da bin ich doch froh, dass ich auch die zweite Nacht in Manziana geblieben bin.
Manziana - Roma / Parco Naturale di Veio
https://www.komoot.de/tour/t6809276?ref=itd
Kurz vor der Engelsburg trage ich mein Rad dann eine hohe Treppe entlang der Mauer hinauf - eine ziemlich unbequeme und anstrengende Angelegenheit. Inzwischen ist es 15.15 Uhr. Vom Vatikan strömen noch die letzten Menschenmassen nach der vor kurzem beendeten ‚Papstschow’ in alle Richtungen. Für großartige Besichtigungen ist es schon zu spät und ich schiebe eher ziellos durch enge Straßen mit vielen kleinen Geschäften, Bars und Restaurants bis zur Piazza Navona. Nach Straßburg hatte ich mich immer mal wieder in ein Eiscafe gewagt aber immer nur Enttäuschungen erduldet. Auf dem Weg zur Piazza, in der Via Del Governo Vecchio, gehe ich an einer Eisdiele mit einer langen Schlange vorbei.
Um 11.00 Uhr bin ich vor Ort und bereue keinen einzigen Cent für dieses Ticket. Vor dem Petersdom und vor den Museen stehen unfassbare Menschenmengen, in Schlangen aufgestellt und alle wollen eingelassen werden. Die müssen bestimmt 2 - 3 Stunden auf den Einlass warten und ich bin froh, dass nicht viel mehr Leute bereit sind, ein Expressticket zu kaufen.
Dann fallen mir auch noch weitere Schreckgespenster aus jener Zeit ein: Vico Torriani, Peter Alexander, Caterina Valente, ... Immer wenn ihre Stimmen im Fernsehen zu hören waren, als wollten sie mit ihrem durchdringenden und schrillen Abgesang alle Bewohner von Jericho vertreiben und die Stadt wieder dem Erdboden gleich machen, verließ ich fluchtartig die Stube und lief auf dem Flur meist meine Mutter über den Weg. Sobald sie die Trällerei mitbekam, ließ sie die Küchenarbeit stehen und liegen und nahm wie verzaubert meinen Platz ein.
Heute steht das Forum Romanum auf dem Plan - nach dem Vatikan mein zweites großes Highlight.
Ich finde einen wenig besuchten Seiteneingang und werde hier im Gegensatz zu den anderen Eingängen ohne Wartezeit reingelassen.
Für die 'Trümmerbesichtigung' nehme ich mir reichlich Zeit, lese alle möglichen Infotafeln, schau ab und zu bei Wikipedia rein. So kann ich mir ein wenig mehr zu den Steinhaufen und von der Bedeutung der einzelnen Gebäude und des gesamten Ortes vorstellen. Wie schon beim Kolosseum ist es fast unvorstellbar, dass das alles hier schon 1.500 bis 2.000 Jahre alt ist. Es ist sonnig und etwas wolkig aber vor allem angenehm warm.
So macht das ausgedehnte Schlendern durch die alten Steine wirklich viel Spaß.
Auch die Besuchermassen 'verschwinden' auf dem großen Areal. An vielen Stellen setze ich mich kurz und genieße den Moment - Zeit, um die Seele baumeln zu lassen. Auch die Trümmer auf dem Palatinohügel oberhalb des Forum Romanum, der als erstes von Augustus bebaut wurde, durchstreife ich kreuz und quer. Von der 'Stimmung' gefällt es mir hier oben noch etwas mehr als unten. Ähnlich beeindruckt hat mich vor 30 Jahren die Ausgrabungsstätte Ephesus während einer Studienreise mit der Uni durch die Türkei. Es ist nicht so sicher, ob das heute auch noch so sein würde, da es damals die ersten 'Trümmer' waren, die ich mir angesehen habe.
Mein 'Goldesel' und ich sind nun schon 10 Jahre zusammen und können uns in allen Radlerlebenslagen aufeinander verlassen. Wir sehen zwar Beide nicht mehr aus wie aus dem Ei gepellt, dafür haben wir uns im Laufe der Jahre immer besser aufeinander eingestellt. Mein 'Goldesel' ist nicht der Leichteste, dafür belastbar, auf meine Ergonomie eingestellt, technisch up to date und zuverlässig. Ich führe ihn dafür regelmäßig aus, sorge für einen trockenen Unterstand, pflege ihn und halte mich fit. Vielleicht schaffen wir noch ja noch ein weiteres Jubiläum.
Gewisse, dem fortschreitenden Alter angepasste Veränderungen sind dafür jedoch nötig. Es ist eben alles nicht mehr so elastisch. Für die unausweichliche einsetzende 'Materialermüdung' nicht nur am Fahrrad lassen sich Komponenten Erwerben, die für Erleichterung sorgen. Wenn sich verspannte Muskeln und kribbelnde Hände und Füße melden, wird es spätestens Zeit, die windschnittige Sitzhaltung aufzugeben und eine aufrechte Position zu wählen. Das habe ich erst nach mehr als 1.000 km begriffen, mir unterwegs in Freibung einen wesentlich höheren Vorbau besorgt und später in Füssen noch eine bis dato verpönte gut gepolsterte Radfahrhose zugelegt.
Luxusleben
Ein gewisse Luxusausstattung hat mir das Leben auf und mit dem Rad erleichtert. Dazu gehört eine 14-Gang Nabenschaltung von Rohloff, eine Magura Hydraulikbremsanlage und ein Nabendynamo von Schmidt mit einer LED-Lichtanlage von Busch und Müller. Dafür habe ich eine Menge Kröten über den Tresen geschoben, für die ich mir in einem Fahrradsupermarkt 2 Fahrräder hätte holen können.
Für die Fahrradnavigation habe ich mir Komoot auf mein iPhone geladen. Damit ich es jederzeit in meinem Blickfeld befindet, habe ich mir eine kleine Tasche von KlickFix mit Sichtfeld besorgt, die ich auf dem Oberrohr befestigt habe. Bei intensiver Sonneneinstrahlung ist das jedoch noch keine optimale Lösung, da sich das iPhone dann überhitzt und von selbst abschaltet. Um es dann wieder zum Leben zu erwecken, hilft nur noch Reiki mit einem frommen Spruch und einem nassen Tuch.
Für ganz großen Komfort hat meine superleichte Isomatte (530 g) von Thermarest gesorgt (vergleichbares gibt es bestimmt auch von anderen Anbietern) und hat dabei auch noch ein sehr kleines Packmaß. Trotz geringem Gewicht ist sie das Bequemste, das ich bisher zwischen mir und dem Zeltboden geschoben habe. Dennoch hat sie auch Nachteile: sobald ich mich darauf bewege, knirscht es innen drin, sie ist Empfindlich gegen UV-Licht (eine habe ich deswegen schon gekillt) und muss aufgepustet werden.
Für noch mehr Luxus hat mein kleiner Faltstuhl Helinox gesorgt. Die zusätzlichen 900 g haben bergauf mindestens für zusätzliche 900 Schweißtropfen gesorgt, die aber sofort vergessen sind, wenn ich mich zwischendurch oder am Abend bei Sonnenuntergang darin ausruhe.
Mein 'Goldesel' und ich sind nun schon 10 Jahre zusammen und können uns in allen Radlerlebenslagen aufeinander verlassen. Wir sehen zwar Beide nicht mehr aus wie aus dem Ei gepellt, dafür haben wir uns im Laufe der Jahre immer besser aufeinander eingestellt. Mein 'Goldesel' ist nicht der Leichteste, dafür belastbar, auf meine Ergonomie eingestellt, technisch up to date und zuverlässig. Ich führe ihn dafür regelmäßig aus, sorge für einen trockenen Unterstand, pflege ihn und halte mich fit. Vielleicht schaffen wir noch ja noch ein weiteres Jubiläum.
Gewisse, dem fortschreitenden Alter angepasste Veränderungen sind dafür jedoch nötig. Es ist eben alles nicht mehr so elastisch. Für die unausweichliche einsetzende 'Materialermüdung' nicht nur am Fahrrad lassen sich Komponenten Erwerben, die für Erleichterung sorgen. Wenn sich verspannte Muskeln und kribbelnde Hände und Füße melden, wird es spätestens Zeit, die windschnittige Sitzhaltung aufzugeben und eine aufrechte Position zu wählen. Das habe ich erst nach mehr als 1.000 km begriffen, mir unterwegs in Freibung einen wesentlich höheren Vorbau besorgt und später in Füssen noch eine bis dato verpönte gut gepolsterte Radfahrhose zugelegt.
Luxusleben
Ein gewisse Luxusausstattung hat mir das Leben auf und mit dem Rad erleichtert. Dazu gehört eine 14-Gang Nabenschaltung von Rohloff, eine Magura Hydraulikbremsanlage und ein Nabendynamo von Schmidt mit einer LED-Lichtanlage von Busch und Müller. Dafür habe ich eine Menge Kröten über den Tresen geschoben, für die ich mir in einem Fahrradsupermarkt 2 Fahrräder hätte holen können.
Für die Fahrradnavigation habe ich mir Komoot auf mein iPhone geladen. Damit ich es jederzeit in meinem Blickfeld befindet, habe ich mir eine kleine Tasche von KlickFix mit Sichtfeld besorgt, die ich auf dem Oberrohr befestigt habe. Bei intensiver Sonneneinstrahlung ist das jedoch noch keine optimale Lösung, da sich das iPhone dann überhitzt und von selbst abschaltet. Um es dann wieder zum Leben zu erwecken, hilft nur noch Reiki mit einem frommen Spruch und einem nassen Tuch.
Für ganz großen Komfort hat meine superleichte Isomatte (530 g) von Thermarest gesorgt (vergleichbares gibt es bestimmt auch von anderen Anbietern) und hat dabei auch noch ein sehr kleines Packmaß. Trotz geringem Gewicht ist sie das Bequemste, das ich bisher zwischen mir und dem Zeltboden geschoben habe. Dennoch hat sie auch Nachteile: sobald ich mich darauf bewege, knirscht es innen drin, sie ist Empfindlich gegen UV-Licht (eine habe ich deswegen schon gekillt) und muss aufgepustet werden.
Für noch mehr Luxus hat mein kleiner Faltstuhl Helinox gesorgt. Die zusätzlichen 900 g haben bergauf mindestens für zusätzliche 900 Schweißtropfen gesorgt, die aber sofort vergessen sind, wenn ich mich zwischendurch oder am Abend bei Sonnenuntergang darin ausruhe.
Heute steht das Forum Romanum auf dem Plan - nach dem Vatikan mein zweites großes Highlight.
Ich finde einen wenig besuchten Seiteneingang und werde hier im Gegensatz zu den anderen Eingängen ohne Wartezeit reingelassen.
Für die 'Trümmerbesichtigung' nehme ich mir reichlich Zeit, lese alle möglichen Infotafeln, schau ab und zu bei Wikipedia rein. So kann ich mir ein wenig mehr zu den Steinhaufen und von der Bedeutung der einzelnen Gebäude und des gesamten Ortes vorstellen. Wie schon beim Kolosseum ist es fast unvorstellbar, dass das alles hier schon 1.500 bis 2.000 Jahre alt ist. Es ist sonnig und etwas wolkig aber vor allem angenehm warm.
So macht das ausgedehnte Schlendern durch die alten Steine wirklich viel Spaß.
Auch die Besuchermassen 'verschwinden' auf dem großen Areal. An vielen Stellen setze ich mich kurz und genieße den Moment - Zeit, um die Seele baumeln zu lassen. Auch die Trümmer auf dem Palatinohügel oberhalb des Forum Romanum, der als erstes von Augustus bebaut wurde, durchstreife ich kreuz und quer. Von der 'Stimmung' gefällt es mir hier oben noch etwas mehr als unten. Ähnlich beeindruckt hat mich vor 30 Jahren die Ausgrabungsstätte Ephesus während einer Studienreise mit der Uni durch die Türkei. Es ist nicht so sicher, ob das heute auch noch so sein würde, da es damals die ersten 'Trümmer' waren, die ich mir angesehen habe.
Dann fallen mir auch noch weitere Schreckgespenster aus jener Zeit ein: Vico Torriani, Peter Alexander, Caterina Valente, ... Immer wenn ihre Stimmen im Fernsehen zu hören waren, als wollten sie mit ihrem durchdringenden und schrillen Abgesang alle Bewohner von Jericho vertreiben und die Stadt wieder dem Erdboden gleich machen, verließ ich fluchtartig die Stube und lief auf dem Flur meist meine Mutter über den Weg. Sobald sie die Trällerei mitbekam, ließ sie die Küchenarbeit stehen und liegen und nahm wie verzaubert meinen Platz ein.
Hier 2 spontan ausgewählte Links aus dem YouTube Repertoire:
https://www.youtube.com/watch?v=ulx_pa8QQEk
https://www.youtube.com/watch?v=-GpUTTRKgy8
Um 11.00 Uhr bin ich vor Ort und bereue keinen einzigen Cent für dieses Ticket. Vor dem Petersdom und vor den Museen stehen unfassbare Menschenmengen, in Schlangen aufgestellt und alle wollen eingelassen werden. Die müssen bestimmt 2 - 3 Stunden auf den Einlass warten und ich bin froh, dass nicht viel mehr Leute bereit sind, ein Expressticket zu kaufen.
Kurz vor der Engelsburg trage ich mein Rad dann eine hohe Treppe entlang der Mauer hinauf - eine ziemlich unbequeme und anstrengende Angelegenheit. Inzwischen ist es 15.15 Uhr. Vom Vatikan strömen noch die letzten Menschenmassen nach der vor kurzem beendeten ‚Papstschow’ in alle Richtungen. Für großartige Besichtigungen ist es schon zu spät und ich schiebe eher ziellos durch enge Straßen mit vielen kleinen Geschäften, Bars und Restaurants bis zur Piazza Navona. Nach Straßburg hatte ich mich immer mal wieder in ein Eiscafe gewagt aber immer nur Enttäuschungen erduldet. Auf dem Weg zur Piazza, in der Via Del Governo Vecchio, gehe ich an einer Eisdiele mit einer langen Schlange vorbei.
Sichtweite des Tibers entlang oder direkt daneben. Bis kurz vor dem Zentrum fahre ich nahezu unbehelligt vom Autoverkehr auf einem guten Radweg, die ganze Strecke ist ziemlich schön. Zunächst geht es durch Wiesen und Sportanlagen, der Weg selbst ist an vielen Stellen von hoch gewachsenen Schilf umrandet. Nachdem ich die ersten beiden Brücken in Rom passiert habe, führt der Weg direkt runter an den Fluß, an beiden Seiten sehe ich nun 10 - 15 Meter hohe gemauerte Uferbefestigungen. Der Vorteil: ich fahre entspannt bis ins Stadtzentrum, der Nachteil: ich kriege nicht viel von der Stadt mit und fahre eher wie mit der U-Bahn.
Es gibt wieder mal eine Zeltwiese, weit ab von der Schnellstraße und ich fühle mich, auch wenn der Platz keine Augenweide ist, gleich wohl. Neben mir zeltet ein gleichaltriger Holländer, der von Uetrecht bis hierher geradelt ist. Er erzählt mir, dass das heftige Gewitter in der letzten Nacht hier auch getobt hat. Vom Hang oberhalb der Wiese kamen die Wassermassen heruntergeschossen und in allen Zelten stand das Wasser mindestens 10 cm hoch. Da bin ich doch froh, dass ich auch die zweite Nacht in Manziana geblieben bin.
Manziana - Roma / Parco Naturale di Veio
https://www.komoot.de/tour/t6809276?ref=itd
Castel del Piano - Lago di Bolsena
https://www.komoot.de/tour/t6772017?ref=itd
Da ich ziemlich abgekämpft bin, bleibe ich nur kurz in dem Ort und fahre weiter zum Campingplatz am Ortsrand. Diesmal werde ich in der Rezeption von einem alten Ehepaar (Beide ungefähr 80 Jahre alt) begrüßt. Sie sind wieder sehr sehr freundlich, mit einem ewigen Lächeln auf dem Gesicht (obwohl in Castel del Piano die Etrusker lange ausgestorben sind). Wurde hier in der Gegend vielleicht Mona Lisa geboren?
Von Casciano di Murlo nach Castel del Piano
https://www.komoot.de/tour/t6755241?ref=itd
Anscheinend bin ich schon ein wenig ausgepowert und auch von den vielen Stadtbesichtigungen reizüberflutet. Dienstag und Mittwoch treibe ich mich fast komplett im Schatten auf dem Campingplatz herum und verbringe die Zeit mit Lesen, Schreiben, Fahrradpflege und Kochen. Die Stadt habe ich mir bisher kein weiteres Mal angesehen. Jedenfalls genieße ich die Zeit und das Schattendasein. Ich werde morgen bei der Weiterfahrt noch mal in Volterra vorbeischauen.
Das Klima wird milder und windig, ab dem späten Nachmittag fast ein wenig frisch.
Lucca nach Volterra
https://www.komoot.de/tour/t6710280?ref=itd
Am Morgen erfrische ich mich erst mal im Swimmingpool, frühstücke ausgiebig, nutze den Waschmaschinenservice und fahre erst in der Mittagszeit nach Lucca. Dort verbringe ich den Rest des Tages mit Stadtbummel und Lesen, setze mich in ein Cafe und suche später noch ein Restaurant in einer Seitengasse auf. Als ich am Abend zurück komme, zeltet dort tatsächlich noch ein junges Paar aus Deutschland mit einem Mercedes-Cabrio, Modellreihe Uwi/Sören. Beide sind sehr aufgeschlossen und wir unterhalten uns eine ganze Weile, bis mir schließlich einfällt, dass meine Wäsche noch draußen hängt und ich für den nächsten Tag alles fertig packen will, damit ich wegen der langen und mühsamen Strecke nach Volterra früh loskomme. Bevor ich im Schlafsack verschwinde drehe ich von den Platzlaternen in meiner Umgebung die Birnen raus. Da auch das Pärchen noch ein paar Birnen rausschraubt, ist es um uns herum schön dunkel.
Ich kann nur vermuten, dass sie die Gelegenheit ausgenutzt hat. Gleich nach der Brücke ging es weiter über eine ungesicherte eingleisige Eisenbahnstrecke. Nachdem ich die Schienen glücklich passiert hatte, wurde mir der weitere Weg sogleich von einer abgeschlossenen Schranke versperrt. Vor der Überquerung hatte ich einen kleinen Moment ‚gezuckt’ und dachte an Umkehr. Doch das hätte in der Dunkelheit und abseits von belebten Straßen im freien Gelände gegebenenfalls nur einen weiteren abenteuerlichen Weg bedeutet. Gerade hatte ich also den Balken mühsam 'unterwadendert' und erfrischte mich mit einem kräftigen Schluck aus meiner ‚Pulle’, da donnerte ein Personenzug vorbei!
Am Ende bin ich auf einer Distanz von 10 km mit durchschnittlich 9% Steigung den Berg im kleinsten Gang hoch gekurbelt. Währenddessen denke ich immer wieder: "Wer hat nur Bleiklumpen in meinem Gepäck versteckt." Auf dem für heute höchsten Punkt stelle ich fest, dass dies die heftigste Strecke meines Radfahrerdaseins ist.
Sassuolo bis Piandelagotto
https://www.komoot.de/tour/t6670554?ref=itd
Heute Vormittag lasse ich es ruhig angehen. Ich frühstücke gemächlich in der Sitzecke, plane die nächsten Tage und genieße den Blick über Verona. Das Klima hier oben im Schatten ist gut erträglich. Zwischendurch unterhalte ich mich eine Weile mit einem ungefähr 45-jährigen Mann aus der Nähe von Stuttgart, der mit seiner 13-jährigen Tochter mit Rad und Gepäck auf dem Via Augusta unterwegs ist. Sie wollen noch weiter bis an die Adria. Er ist von Beruf Ingenieur, hat seinen Job allerdings bald nach der Geburt seiner Tochter aufgegeben und ist jetzt Hausmann.
Gegen 12:00 Uhr erhebe ich mich doch allmählich für eine Stadtbesichtigung.
Schon gestern ist es mir aufgefallen, aber heute wird es mir wirklich bewusst. Erst in Verona habe ich das Gefühl, in Italien zu sein. Am Gardasee wirkte alles noch irgendwie Deutsch/Östereichisch. Fast alle sprachen noch irgendwie Deutsch, die Häuser und Orte sahen auch nicht gerade 'italienisch' aus und auch die Landschaft hatte wenig mediterranes.
Doch in Verona bin ich endlich in Italien. Ich schlendere durch die Gassen der Altstadt, bleibe hier und da mal sitzen, umrunde die Arena (überlege, ob ich am Abend in die Oper gehen soll - ist aber ausverkauft - wäre aber mit meiner Kluft auch garnicht reingelassen worden), besuche Romeo und Julia und bestaune einige Kirchen und Paläste.
Gegen 18:30 Uhr bin ich wieder auf der Burg und koche. Ich fühle mich hier richtig wohl - eigentlich sollte ich noch einen weiteren Tag ranhängen. Doch Rom ist noch nicht in Sicht und daher treibt es mich weiter. Vielleicht gibt es auf der Rückfahrt noch eine Möglichkeit für einen Zwischenstop in Verona.
Gleich am Morgen mache ich mich auf die Suche nach einem neuen Campingplatz und werde sogar noch näher an Langenargen, am Hafen, fündig und bekomme sogar noch einen freien Platz auf einer Zeltwiese zugeteilt und bleibe daher noch einen weiteren Tag am Bodensee.
Der Umzug ist schnell erledigt und anschließend fahre ich ins nahe gelegene Lindau. Am späteren Abend sitze ich mit meinem Stuhl am See und genieße den wunderschönen orangenen ‚Sandmännchenmond’ beim Untergang über der Schweiz auf der anderen Seite des Sees.
Dank meiner App auf dem iPhone für Fahrradnavigation läuft die Orientierung in Straßburg sehr gut. Ich habe einfach vorher in dem Programm alle Punkte in der Stadt angegeben, die ich anfahren wollte, dann den Kopfhörer eingestöpselt und mich von einer weiblichen Stimme im deutsch ausgesprochen Französisch (hörte sich an wie mein Mitbewohner) durch die Stadt leiten lassen – funktioniert mit wenigen Ausnahmen sehr gut.
eBikes sparen Energie!
Über diese Etappe gibt es nicht viel Bewegendes zu berichten. Von Marburg bis Gießen führt der Radweg durch flache Wiesen und Äcker. Zwischen Gießen und Wetzlar wird es weider etwas abwechslungsreicher.
Nicht weit hinter Gießen leisten mir Bernd und Siggi Gesellschaft . Sie sind auf dem Weg zum Eisessen in Wetzlar. Während der Unterhaltung kommt es mir so vor als würde ich flotter radeln als sonst, jedenfalls fühlt es sich weniger beschwerlich an und die Zeit vergeht wie im Fluge.
Ab Wetzlar ist die Strecke nur leidlich zu ertragen. Der Radweg führt meist entlang einer Schnellstraße oder neben einer Eisenbahnstrecke. Die Lahn ist auch nur selten zu sehen. Dafür ist der Campingplatz ganz in Ordnung. Ich habe mir einen ruhigen Platz auf einer etwas abseits liegenden Wiese direkt an der Lahn ergattert.
Wenn ich mir nicht vorgenommen hätte, meine Tour vor der Haustür zu beginnen, wäre ich, abgesehen von den schönen Abenden, besser in Weilburg gestartet.
Jetzt geht's also los. Es ist leider schon 9:30 Uhr. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, jeden Tag spätestens um 8:00 Uhr oder noch früher auf dem Sattel zu sitzen. Ich hoffe, ich bekomme den Trott bald besser in den Griff.
Kaum um die Ecke gebogen, also an der Eder, gesellt sich ein junger Mann zu mir und wir kommen ins Gespräch über Radtouren, die er und ich schon unternommen haben. Wenn das so bleibt, brauche ich mir über Einsamkeit keine Gedanken mehr machen.
Die heutige Etappe bin ich schon einige Male gefahren und ich habe sie als attraktive und hügelige Tour in Erinnerung. Doch heute habe ich mein Fahrrad schwer beladen - wie einen Packesel, nur dass ich nicht nebenher fahre. Ich komme also erheblich langsamer voran als die anderen Male und meine Freude an der schönen Landschaft hält sich in Grenzen.
Für heute habe ich mir eine Strecke zum 'Einfahren ' bis Jesberg geplant - rund 60 km. Als ich am frühen Nachmittag in dem trostlosen Ort ankomme und auch der Campingplatz doch recht langweilig auf mich wirkt, entschließe ich micht zur Weiterfahrt nach Marburg ! Meinen ersten Abend der Tour habe ich mir reizvoller vorgestellt.
Gegen 19.30 Uhr habe ich gleich am ersten Tag 120 km in den Knochen und baue ziemlich erschöpft mein Zelt auf. Dann fahre ich ohne Gepäck ein Stück zurück zu einer Kneipe an der Lahn, bestelle mir was zu essen und lausche 2 Straßenmusikern zu, die hier heute die Gäste unterhalten - das Essen und das Bier hat selten besser geschmeckt.
Link zum Etappenverlauf:
https://www.komoot.de/tour/6057713?ref=wtd
Eigentlich sollte es mit der großen Tour Mitte Juni losgehen. Doch dann hat sich Ende Mai irgendetwas in meinen vorderen Speichen verfangen und ich bin über den
Lenker gesegelt. Die Folge waren Verletzungen an der Nase und am Brustkorb, Einschnitte an einigen Fingergelenken und tiefe, sehr schmerzhafte Schürfwunden an den Handflächen und den Knien. Nun
bin ich also erst morgen früh am Start und hoffe, dass es während der letzten Tage in Italien noch warm genug ist.
Die erste Etappe führt mich von Kassel nach Jesberg.