Etappe vom Lago di Bolsena zum Lago di Bracciano / Manziana

Am Morgen habe ich es relativ eilig mit dem Aufbruch, dunkle Wolken ziehen am Himmel auf. Mein Frühstück fällt diesmal kurz aus und den obligatorischen Cafe ‚Americano’ bestelle ich heute in der Bar anstatt ihn selbst zu bruzzeln.
Ich fahre eine ganze Weile auf der Hauptstraße, die heute jedoch nur mäßig befahren ist. Wird wohl am Sonntagvormittag liegen. Ich komme relativ schnell voran, da die Tuscania bei weitem nicht mehr so bergig ist wie die Toscana und leider insgesamt auch nicht so schön. Dennoch muss ich nach 45 km wieder etwas mehr als 3 Hunderter aufsteigen und bleibe fortan auf einer Höhe von 350 bis 450 Metern. Nach ungefähr 55 km beige ich von der Haupt- straße ab und vertraue auf Uschi, dass die angekündigten Schotterwege diesmal wie am Vortag auch befahrbar sind. Die Wolken im Nacken werden inzwischen immer dunkler. Am Bolsenasee wird es inzwischen schon heftig regnen.
der Himmel in kürzester Zeit zu und in einem Moment von vielleicht 2 Minuten werden aus den ersten Tropfen Regenmassen, wie ich sie schon lange nicht mehr erlebt habe und dann nur hinter Fensterscheiben. Jetzt habe ich nur meine Brille vor den Augen. Gut verpackt in meinen Regenklamotten stelle ich mich unter dichtes Buschwerk und bleibe von dem Guss wenigstens vom Schlimmsten verschont. So denke ich zunächst und will einfach abwarten, bis die Regenfront vorbei zieht.
Doch nach 20 Minuten wird mir klar, warum der Weg oberhalb meines Standortes  einem Flussbett gleicht. Es ist ein Flussbett!! Jedenfalls bei so einem Wolkenbruch. Ich bin heilfroh, dass mich die Wassermassen nicht dort erwischt haben. Da auch aus dem Asphaltweg immer mehr ein Sturzbach wird, fühle ich mich nicht mehr sicher und setze ich mich trotz unglaublichem Platzregen aufs Rad und fahre weiter. Überall hat sich schon Geröll und Schlamm angesammelt. Schließlich finde ich einen Weg am Waldrand auf einer Kuppe, oberhalb der Straße zum Lago di Bracciano, zu dem ich eigentlich mal wollte. Hier stehe ich zwar nicht mehr mit meinen Füßen in den Wassermassen. Inzwischen blitzt und donnert es jedoch heftigst um mich herum.

Es kommen immer mal ein paar Tropfen runter, doch dabei bleibt es und ich hoffe, dass ich der Regen- und Gewitterfront gerade noch so entwische. Auf der Wetterkarte sieht es jedenfalls so aus. Der Nebenweg führt mich bald durch riesige Haselnussplantagen. In einigen von ihnen werden äußerst betriebsam (trotzt Sonntag)  mit großen ‚Staubsaugern’ die in Reihen unten liegenden Nüsse aufgesaugt. Das macht einen höllenlärm und ist auch eine ziemlich staubige Angelegenheit. Der Weg selbst ist diesmal wieder entgegen meinen Befürchtungen gut befahrbar.
Uschi geleitet mich diesmal sicher durch die verwirrende Vielfalt der sich ständig kreuzenden Feldwege. Allein mit einer üblichen Straßenkarte hätte ich mich hier nur sehr schwer bis gar nicht zurecht gefunden.
Nach den Haselnussplantagen geht die Route eigentlich weiter auf feinen Schotterwegen, doch die Wolkenfront rückt immer näher an mich heran und ich will vorwärts kommen. Daher fahre ich weiter auf asphaltierter Nebenstrecke. Das ist zwar ein Umweg aber dennoch schneller.
Denn ab jetzt kann ich kräftig in die Pedale treten, um noch den nächsten Ort zu erreichen,
Das Zentrum des Gewitters scheint direkt über mir zu sein. Der Donner macht einen unglaublichen Radau hier zwischen den engen Hügeln. Ich wage mich nicht von der Stelle, obwohl der nächste Ort oberhalb von hier nur noch ungefähr 2 km entfernt liegt. Nur meinen geliebten 'Goldesel' verbanne ich weitab in den Regen. Nachdem ich durch Mitzählen der Zeit zwischen Blitz und Donner mehr als 10 Sekunden zähle und auch der Regen nachlässt, fahre ich mit klappernden Zähnen weiter. Inzwischen bin ich am Oberkörper gut durchnässt (der Reisverschluss der Jacke hat die Wassermengen nicht ausreichend verkraftet). Ich radele allerdings nicht runter zum See, denn der Teil der Straße ist zu einem Schlammteich mutiert und ich kann mir gut vorstellen, wie es auf dem Campingplatz dort unten aussieht. Stattdessen kämpfe ich mich durch Geröllmassen rauf nach Manziana. Der Ort wirkt verständlicherweise wie ausgestorben. Nach einigem Suchen finde ich

bevor mich doch noch der Regen einholt. Von weiter Ferne ist auch schon Donner zu hören. In Oriolo Romano wird die Wetterfront wieder heller, insbesondere im Süden, in meiner Richtung. 
Daher folge ich wieder Uschis Vorschlag und fahre auf dem kürzesten Weg Richtung Campingplatz, der noch etwa 6 km entfernt ist. Es geht auf einem schmalen gut befahrbaren Pfad durch einen sehr dunklen Wald und ich sehe den Weg nur noch wegen meiner guten LED-Beleuchtung. Gerade habe ich noch ein paar Spaziergänger passiert, da kommen die ersten dicken Tropfen vom Himmel.
Vorsichtshalber hole ich die  Regensachen raus und verstaue Fotoapparat und sonstiges in den Taschen.  Auch der Weg wird immer schlechter und abschüssiger. Dann kommt eine Passage, die mehr einer kleinen Schlucht mit Flussbett ähnelt und ich muss mein Fahrrad eher über die Felsbrocken heben als schieben. Nach diesem nervenden und anstrengen Felsbrockenpfad wandelt sich der Waldweg in eine kleine asphaltierte Straße und ich bin heilfroh, es bald geschafft zu haben.
Doch zu früh gefreut!
Kaum habe ich den Wildbach passiert, zieht sich
eine geöffnete Bar, bestelle einen Cafe Americano und hinterlasse zum Dank eine große Pfütze am Tisch. Nach ungefähr einer Stunde bin ich einigermaßen aufgetaut und abgetrocknet, nur meine völlig durchweichten Hände und Füße bleiben noch eine Weile gefühllos.
Ans Zelten ist bei diesem Sturmwetter und Blitzgewitter jedenfalls nicht zu denken. Ich frage den Barmann nach einer Unterkunft in Manziana. Er ist sehr freundlich und telefoniert eine Weile erfolglos herum. Dann fällt ihm seine Mutter ein, die vielleicht noch ein Zimmer vermieten würde. Nach einigem hin und her berichtet er mir, dass tatsächlich ein Zimmer zu haben ist. Obwohl es immer noch regnet fahre ich gleich hin und werde in einem Haus mit einer dazugehörigen völlig unscheinbaren Trattoria von einer älteren Dame um die 80 freundlich empfangen. 
Ich niste mich gleich für 2 Tage ein, da auch für den nächsten Tag weiter Regen und Gewitter angesagt ist, insbesondere in Rom, meinem nächsten Etappenziel. Den Abend verbringe ich in der sehr gut besuchten Trattoria bei einem vorzüglichen Essen. Das gut versteckte Lokal ist anscheinend (zu Recht) ein Geheimtip bei den Einheimischen – ich bin jedenfalls der einzige ‚ausländische Fremde’, die anderen Gäste werden fast alle wie Freunde begrüßt.
Da auch der nächste Tag (Montag) sehr ungemütlich bleibt, verbringe ich die meiste Zeit in der Bude mit Lesen und Schreiben. Ich nutze nur den kurzen Moment einer Wetteraufhellung für einen Einkauf und einer Frischluftinhalation auf einer Parkbank mit ‚Weitsicht’ auf den nebelschwafeligen Lago di Bracciano.
Link zum Tourverlauf:

Lago di Bolsena - Manziana
https://www.komoot.de/tour/t6798255?ref=itd


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