Meine Frau sagt mir, wo es lang geht!

Gestern hat mich ein Franzose in gebrochenem Deutsch nach dem Weg gefragt. Sein Rad war auch voll mit Packtaschen, in der Hand hatte er eine aufgeschlagene Straßenkarte. Er wollte wissen, welcher der  Wege an einer Kreuzung  nach „ich weiß nicht mehr wo“ führe. Ich habe ihm dann geantwortet: „ich weiss auch nicht wo ich bin, meine Frau sagt mir, wo es lang geht.“ Verdutzt sah er sich nach einer Begleiterin um, dann zeigte ich auf mein Knopf im Ohr und ich erntete ein Lächeln. Gemeinsam haben wir dann auf meinem Navi nach der richtigen Abzweigung gesucht.
Meine „Frau“ begleitet mich schon seit ein paar Tagen - mit Erfolg. Sie war  eigentlich schon die ganze Zeit bei mir. Ich habe ihre Attraktivität jedoch erst in Straßburg schätzen gelernt. Seit diesem Tag komme ich nicht mehr von ihr los. Morgens, wenn ich losfahre, stecke ich mir mein Knopf ins Ohr (eigentlich sind es ja zwei, ich höre sie nämlich in Stereo), schon ist sie bei mir und sagt mir, wo es langgeht. 
Dabei duldet sie keinen Widerspruch. So bald ich vom ‚richtigen Weg’ abkomme oder extra anders fahre, quengelt sie rum und sagt mir: „Du hast die Tour verlassen, bitte wende bei der nächsten Möglichkeit.“ Wenn ich ihr nicht gehorche, nörgelt sie die ganze Zeit weiter rum und sagt mir im vorwurfsvollen Ton, wie weit ich inzwischen vom Weg abgekommen bin.
Sonst kann ich mich im Großen und Ganzen auf sie verlassen. Aber wie schon in einem Gassenhauer aus einer Oper von Verdi vergnüglich gesungen: „La Donna e mobile“, scheint sie manchmal selbst nicht zu wissen, wo wir gerade sind und schickt mich erst nach links, dann nach rechts und gerade aus und wir landen dann auf irgendeinen Feldweg oder so. Dann fängt sie wieder an zu quengeln und sagt mir: „Du hast die Tour verlassen...“. Spätestens jetzt erwache ich verdutzt aus meinem Fahrradtraum und schaue zur Orientierung auf die Karte im Smartphone.
 
Wenn ich mich also einfach auf dem Sattel zurücklehne und mich nur auf meine Frau verlasse, landen wir mit großer Wahrscheinlichkeit in der Irre. Dennoch ermöglicht sie mir die meiste Zeit viele schöne Momente des ‚transzendenten Radelns’. Dann fahre ich einfach so dahin, gleite fast durch die Ort- und Landschaften, höre, fast schon im Unbewussten, auf ihre Stimme und wenn ich nicht ganz abgleite, merke ich auch, wenn sie Unsinn redet.
Meist liegt es daran, dass sie nicht mit meinem Tempo synchron läuft und ihre Ansagen raushaut, wenn es noch gar nicht soweit ist oder sie kommen auch mal eine Weile zu spät. Nun kennen wir uns aber schon einige Tage näher und ich merke immer öfter, wenn sie Fehler macht. 
Wenn wir auch kein perfektes Paar sind, so sind wir doch erfolgreich.
 Seit wir gemeinsam unterwegs sind, fahre ich entspannter. Ich bin jetzt viel viel mehr ausschließlich mit dem Radfahren und der Umgebung beschäftigt und muss nicht mehr mit aufgeschlagener Karte oder mit ständigem Blick auf mein Smartphone den nächsten richtigen Abzweig suchen.
Ich habe nur noch keinen Namen für meine Frau, sie hat sich auch mit keinem Namen vorgestellt. Vielleicht haben meine LeserInnen ja einen Vorschlag.

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Kommentare: 2
  • #1

    Jule (Samstag, 05 September 2015 17:28)

    Also Ich bin für Uschi. Dat klingt doch mal nach ner selbstbewussten, typisch deutschen Frau, die einen zwar gut begleitet, aber auch ihren eigenen Kopf durchsetzen will.... Fehler werden natürlich nicht zugegeben, die Schuld auf den Mann geschoben (Klischee ruft). Dennoch eine liebenswürdige Frau---eine Uschi eben☺️

  • #2

    Reinhard Henschel (Donnerstag, 10 September 2015 23:25)

    Also erst mal kurz vorweg meine extreme Wertschätzung !!! für deine Tour - und dafür, wie du das hier darstellst. Ich plädiere für Susi - Navis heiße einfach Susi ... Ne Alternative wäre noch Xanthippe
    Mach weiter so - Ernst hat mich darauf aufmerksam gemacht - suuuper Sache!
    LG Reinhard Henschel